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Interessant + Wissenswert


Eddinghäuser Geschichte(n)

Georg Fink ist in Eddinghausen aufgewachsen und wohnt auch noch heute dort. So ist es nicht verwunderlich, dass er einiges zu erzählen hat.

Kartoffelschnupfen

Die meisten Dörfler hatten einen eigenen Garten oder es wurde eine Gartenparzelle angemietet. Dort wurden zur Eigenversorgung Kartoffeln und Gemüse angepflanzt.

Wenn im Frühjahr der erste Sonnenstrahl auf die Erde traf, erschienen die Hobbygärtner wie auf Kommando in ihren geliebten Gärten. Jeder wollte der Erste sein, es wurde gefachsimpelt und Tipps ausgetauscht. Wer die Saatkartoffeln im Frühjahr als Erster in die Erde brachte, musste sich immer anhören: „Vergiss aber nicht, zu jeder Kartoffel ein Tempotuch und ein Hustenbonbon beizulegen.“

Als Kind habe ich den Sinn nicht verstanden, denn die Kartoffeln schmeckten doch nicht nach Kräutern. Mein Vater erklärte es mir: „Die sind nur neidisch, dass sie nicht selbst die Ersten sind. Sie meinen, es ist noch zu früh für die Saatkartoffeln und die könnten sich deshalb erkälten.“

Cowboys im Kuhstall

In den 50erjahren hatten die Eddinghäuser Burschen nicht viel Abwechslung, daher standen Cowboyfilme im Kino und den Sälen der Gaststätten hoch im Kurs. Hierzu wurde mit dem Fahrrad etliche Kilometer weit angereist.

Von den Filmen inspiriert, beschlossen sie, das, was sie auf der Leineand gesehen hatten, auch mal selbst auszuprobieren. Da der Eddinghäuser Großbauer noch freilaufende Kühe in der Scheune hielt, ergab sich die Gelegenheit.

Es wurden Stiefelsporen aus Stacheldraht gefertigt und die Kühe und Jungbullen ohne Sattel durch den Stall geritten. Aber auch hier hielt der Spaß nicht lange an. Jetzt musste auch, wie im Kino gesehen, der Bulle auf die Seite gelegt werden. Wie hatten  die Cowboys das gemacht? So richtig hatte das keiner verstanden.

Also wurde der Jungbullen an den Hörnern gepackt und der Hals unbeholfen, aber mit jungmännlicher Kraft so lange mal zur einen und mal zur anderen Richtung gedreht, bis das mächtige Tier zu Boden ging.

Dabei kam es, wie es kommen musste: Das Genick brach. Der Bulle war tot. Was nun???

Der Schweitzer (Obermelker) drehte wie jeden frühen Morgen singend und pfeifend seine Dorfrunde. Hierbei traf er einen anderen Bauern und erzählte ihm: „Wollte heute Morgen die Kühe melken, da hat sich doch so ein blöder Jungbulle in den Futterstäben das Genick gebrochen.“

Wie die Burschen den Bullen, der ein beachtliches Gewicht hatte, dort einhängen konnten, bleibt mir bis heute ein Rätsel.

Die rollende Boutique

In den 60er- und 70erjahren hatten die wenigsten Menschen Autos. Deshalb kamen die Geschäfte ins Dorf und nicht umgekehrt. In Elze gab es das Modegeschäft Thormeier, das hatte einen umgebauten VW Bus und bereiste natürlich auch Eddinghausen. In diesem Bus befanden sich die unterschiedlichsten Kleidungsstücke. Hier konnte man von der Socke über Unterwäsche, Hosen und Hemden bis zu Kleidern und Röcken alles bekommen.

Anprobiert wurde auf der Straße, die Frauen gingen dazu ins nächstgelegene Haus. Was er nicht auf dem Bus hatte, brachte der Modeexperte nächstes Mal mit. So kam ich auch zu meiner ersten Jingler-Jeans, die mit dem Glöckchen am Bein.

Das sich sonnende Schaf

Ein Nachbar war Bauer, hielt Schafe und diese standen auf der Weide direkt neben meinem Garten.

Es war Frühjahr, die Sonne strahlte aus allen Poren und ich wollte mit meinem Kumpel eine Kompostgitterbox aufbauen. Wir schauten auf die Nachbarweide und sahen ein Schaf auf dem Rücken liegend, alle 4 Beine der Sonne entgegengestreckt. Es schaukelte vor Freude über die ersten wärmenden Sonnenstrahlen leicht nach links und rechts. Die anderen Schafe grasten ganz normal.

Wir bauten die Box weiter auf und als wir damit fertig waren, sonnte sich das Schaf immer noch. Jetzt war mir das Ganze aber etwas unheimlich, und ich rief den Bauern an. Zehn Minuten später erschien die 80-jährige Mutter auf der Wiese mit einem Knüppel in der Hand. Ich dachte mir: „Das hast du jetzt von deiner Wollbräunung.“

Die Bäuerin trat neben das Schaf, rammte den Knüppel unter den Rücken und gab ihm einen Schubs. Das Schaf rollte auf den Bauch, kam benommen auf die Beine und trottete schwankend davon.

Die ältere Dame gab uns die Erklärung. Das Schaf war trächtig, wenn es in dem Zustand auf den Rücken rollt, kommt es von allein nicht wieder hoch.

Gaststätte Meta Kapune

In Eddinghausen hatten wir auch eine über den Grenzen hinaus bekannte Kneipe. Gaststätte Meta Kapune, mit Zigaretten und Flaschenbierverkauf. Zigaretten konnte man damals noch einzeln kaufen.

In der Gaststätte gab es auch einen Erdnussspender mit 10 Pfennig Einwurf und einer Musikbox mit 45er Single-Platten. In der Kneipe trafen sich Politik, Sportvereine, Jäger, Feuerwehr und natürlich auch Privatleute. Viele hatten bestimmte Tage, an denen sie sich verabredeten. Da die Kontrolle der Polizei nicht wie heute organisiert war, wurde gern mit dem Auto an- und auch abgereist.

Immer am gleichen Tag in der Woche stand ein Goggomobil auf dem Hof, und der Fahrer schwankte zu später Stunde trunken zu seinem Auto. Einmal machten sich Freunde einen Spaß und bockten das Gefährt mit Backsteinen auf.

Wie immer erreichte der Fahrer zu vorgerückter Stunde und in Schlangenlinien das Auto, stieg ein und ließ den Wagen an. Doch trotz heulenden Motor bewegte er sich nicht von der Stelle. Nach einigen Minuten zeigten sich die Freunde gnädig und boten an, das Auto wieder herunterzuheben. Dies würde aber noch eine Runde Bier kosten.

Gute Freunde braucht man immer.

Neue Konfirmationsschuhe

Fußballspielen auf der Eddinghäuser Ochsenwiese war für die Kinder zu jeder Zeit das Wichtigste. Auch für meinen Vater, später im SV Eddinghausen als Kugelblitz bezeichnet, war Fußball einfach alles.

Zur Konfirmation hatte er neue Schuhe bekommen. Auf dem Weg nach Hause spielten die Freunde in der Wiese Fußball, und es gab kein Halten. Wie vorhersehbar, trat er in die Erde, und die Schuhsohle klappte um. Jetzt gab es nur ein Ziel: der Strafe zu Hause zu entgehen.

Im Dorf gab es den Schuhmacher Otto Schaf. Der hatte immer ein gutes Herz, und weil die Kinder Geld natürlich nie Geld hatten, mussten sie seine Leistung abarbeiten. Damals wurden die Schuhsohlen mit kleinen Holzpflöcken befestigt, und die Kinder durften die kleinen Holzpflöcke schnitzen.

Werner Münstermann

Der 1940 geborene Werner Münstermann verbrachte seine Kindheit in Eddinghausen und hat seine Erinnerungen eines Tages aufgeschrieben. Eine kleine Auswahl findet man hier.

Stellmacher Stucke

Der Stellmacher August Stucke war unser direkter Nachbar. Er wohnte mit seiner Frau Lina, seinen beiden Töchtern Liesa und Marga und dem Sohn Heinrich in einem wohl proportionierten Haus in Ziegelmauerwerk. Zur Ortsmitte hin bildete unten die Werkstatt und oben ein Holzlager eine architektonische Einheit mit dem Wohnhaus. In einem angrenzenden Grasgarten (jetzt steht dort das Feuerwehr-Gerätehaus) befand sich ein flacher, luftiger Schuppen, ziegelgedeckt, in dem zu Brettern gesägte Baumstämme als Vorrat lagerten: trocken und luftig.

„Mester Stauke“, wie er allgemein im Dorf genannt wurde, stellte alle Geräte und Wagen her, die aus Holz waren und die in der Landwirtschaft gebraucht wurden. Ausgangsmaterial waren seine abgelagerten, trockenen Holzbretter und Bohlen. Daraus entstanden überwiegend in Handarbeit Ackerwagen für Rüben, Kartoffeln, Stroh und Getreide, Langholzwagen, Mistkarren und Handwagen, aber auch Kutschen. Die Einzelteile wie Deichseln, Drehschemel, Flachten, Aufsetzbretter und dergleichen Zubehör fertigte er in seiner Werkstatt an. Seine Fahrzeuge hatten auch schon technisches Zubehör wie Holzbremsen und Seilwinden, um hoch beladene Getreide- oder Strohfuhren zu sichern. Selbstverständlich reparierte er auch all diese Gerätschaften.

Am meisten bewunderte ich ihn, wenn er Räder für die Ackerwagen anfertigte. Er drechselte die Naben aus einem Baumstamm auf einer Drechselbank. In Handarbeit setzte er die Öffnungen für die Speichen. Die Speichen, natürlich auch in Handarbeit hergestellt, hatten an den Enden jeweils einen Zapfen, der innen genau in das Loch der Nabe passte und außen in das Loch der Felge. Die Nabe, die Speichen und die Segmente des Außenringes wurden ohne Leim oder Nägel zusammengefügt und passten! Später baute der Schmied die Stahlnabe und den Außenring an das Rad.

Bei Stuckes hatte der Tagesablauf feste Regeln. Arbeitsanfang und -ende waren festgelegt und wurden eingehalten. Ebenso war es bei den Mahlzeiten: Um neun Uhr war Frühstückszeit und um zwölf Uhr gab es Mittagessen. Nach dem Essen setzte sich Herr Stucke in seinem Ohrensessel in der Küche am Fenster, seine Schlägermütze aufs Gesicht gezogen, die Hände gefaltet und ganz leise schnarchend. In dieser halben Stunde durfte ihn niemand stören – und niemand störte ihn! So gestärkt, arbeitete er wieder bis drei Uhr in der Werkstatt. Dann gab es Kaffee.

Nachdem er danach seine Arbeit fortgesetzt hatte, wurde um sechs Uhr zu Abend gegessen. Nie arbeitete er danach in der Werkstatt. Er saß dann oft am Schreibtisch im Wohnzimmer, schrieb Rechnungen. Häufig machte er einen Spaziergang durch seinen Obstgarten, durch den Gemüsegarten, zum Bach oder auch in die nahe Feldmark.

Die Stuckes hatten im Hof Hühner, Gänse und Enten, dazu Schweine und Ziegen. Das Vieh wurde von Lina Stucke, der Frau von August, versorgt. Sie melkte auch die Ziegen und machte Butter aus der Milch. Die Milch schleuderte sie in einer Zentrifuge mit Handantrieb. Wenn ich Heinrich, ihren Sohn und meinen großen Freund besuchte, bekam ich immer eine Tasse Ziegenmilch und ein Brot mit Ziegenbutter. Obwohl mir beides wegen des strengen Geschmacks nicht schmeckte, habe ich es nie abgelehnt. Ich hatte etwas Zusätzliches zu essen und ließ sie in dem Glauben, etwas Gutes getan zu haben. Ich hätte nie gewagt, auf eine großzügige Geste mit Ablehnung zu reagieren.

Um junge Ziegenlämmer zu kriegen, wurden die Ziegen zum Bock nach Betheln gebracht. Herr Jordan, genannt „Bock-Jordan“, betreute den Bockstall am Bache. Es kam vor, dass der Weg „über den Berg“ wiederholt werden musste, weil der erste Versuch beim Bock nicht erfolgreich war.

Eine besondere Arbeit, die August Stucke zu erledigen hatte, fiel in die Winterzeit, wenn in fast jedem Haushalt ein Schwein geschlachtet wurde. Vor dem Schlachtfest musste er die alten Verschlussbördel der leeren Dosen abtrennen und in einem weiteren Arbeitsgang einen neuen Bördel vorbereiten. Die Maschine wurde von uns Jungen über ein großes Handrad angetrieben. Nachdem die Dosen vom Hausschlachter mit Wurst, Fleisch oder Sülze gefüllt waren, mussten sie wieder zu Stuckes gebracht werden. Sie bekamen einen neuen Deckel und wurden dann mit der gleichen Maschine verschlossen. Die Deckel bekamen Buchstaben eingeschlagen, die den Inhalt angaben. So stand zum Beispiel ein „S“ für Sülze oder „R“ für Rotwurst. Herr Stucke musste gefühlvoll den neuen Bördel aus Deckel und Dose herstellen. Wir Jungs mussten das Handrad gleichmäßig gegen den immer größeren Widerstand drehen „Tscha, tscha, tscha“ war sein Kommentar, wenn er mit uns und sich zufrieden war.

„Mester Staucke“ war ein ausgeglichener Mensch, er war immer freundlich. Dennoch kannte ich ihn nur ernst, er lachte nie. Sein „Tscha, tscha, tscha,“ zeigte aber jedem, dass er gut gelaunt war. Es klang auch unter seinem Kaiser-Wilhelm-Bart hervor, wenn er im Stillen etwas überlegte. Er war ein guter Christ, ging jeden Sonntag zur Kirche nach Betheln und war, so lange ich denken kann, im Kirchenvorstand.

Die Dorfschmiede

Am Ortsausgang nach Haus Escherde befand sich im letzten Haus die Schmiede. Hier herrschte Karl Tielemann, genannt „Karl Martell“. Er war ein untersetzter, kräftiger Kerl, quirlig und wach. Sein kugelrunder Kopf war oben glatzköpfig und immer mit einer speckigen Ballonmütze bedeckt. Den Rest bedeckten Stoppeln. Er trug eine kleine, ovale Nickelbrille für seine flinken Augen. Stets trug er ein blaues, längsgestreiftes Hemd ohne Kragen, die Ärmel hochgekrempelt. Darüber trug er eine riesige Lederschürze, die bis auf die Schuhe reichte, verschlissen und zerbeult.

Seine Arbeitszeit und die seiner Gesellen und Lehrlinge begann in aller Herrgottsfrühe in der Schmiede. Den großen, rechteckigen Raum beherrschten die beiden Schmiedefeuer und die Esse darüber. An der Decke hing der Blasebalg, ein Monstrum aus Leder, der dem Feuer Leben einhauchte. Er wurde von Hand betrieben und war von der Feuerstelle aus zu bedienen. Die Decke und die Wände waren von Ruß geschwärzt. Die Fensterscheiben, dunkel verkrustet, ließen nur erahnen, dass es draußen hell war.

Der Hauptarbeitsplatz des Schmiedes war der Amboss in unmittelbarer Nähe der Esse. Ein großes Sortiment unterschiedlichster Schmiedezangen hing griffbereit. Beim Schmieden wärmte er das Eisen an, bis es weißglühend war. Zum Auftakt des Schmiedens gab er mit seinem Hammer auf dem Amboss den Takt vor und dann bearbeiteten er und ein Lehrling oder Geselle wechselweise das glühende Eisen. Der Lehrling stand auf der anderen Seite des Ambosses und arbeitete mit dem Vorschlaghammer wechselweise mit dem Schmied. Das Ende des Arbeitsganges gab der Schmied vor, indem er seinen Takt auf dem Amboss fortsetzte. Für den Lehrling bedeutete das noch einen Schlag und keinen einzigen mehr. Für den Schmied folgten dann noch einige Schläge zum Nacharbeiten und Richten, immer wieder unterbrochen durch einige Schläge auf den Amboss. Selten war ein Schmiedestück in einem Arbeitsgang fertig. Es wurde dann wieder im Feuer erwärmt und weiter bearbeitet. So wurden alle Beschläge und Reifen für Ackerwagen, Kutschen und Handwagen hergestellt, aber auch Türangeln und Beschläge für Türen und Tore.

Ein großer Teil der Arbeit bestand darin, Hufeisen für Pferde und, seltener, für Ziehkühe und Ochsen herzustellen. Radreifen für Ackerwagen mussten vorgebogen werden. Die vorbereiteten Enden des Reifens wurden feuergeschweißt. Dazu mussten sie auf mehr als Weißglut erhitzt werden, bis die Oberfläche der Nahtstelle zu schmelzen begann. Ganz schnell musste die Nahtstelle auf dem Amboss mit wohldosierten Hammerschlägen verschweißt werden. Dabei spritzte das flüssige Eisen in mächtigem Funkenregen durch die Schmiede. Der fertige Reifen wurde an das vom Stellmacher gelieferte Rad angepasst. Der Reifen musste danach am gesamten Umfang rotwarm gemacht werden. Er wurde dann von einer Mannschaft in großer Eile auf das Holzrad gezogen, schnell nach draußen gerollt und in einem Wasserbecken abgekühlt.

Die vielen Acker- und Kutschpferde mussten von Zeit zu Zeit neu beschlagen werden. Dazu kamen die Pferdeknechte mit ihren Pferden zur Schmiede. Die alten Hufeisen wurden entfernt und die Hufe der Pferde für neue Eisen vorbereitet. Die Hufe wurden mit speziellen Messern bearbeitet, Unebenheiten und Auswüchse beschnitten und mit einer Raspel in Form gebracht. Die Hufeisen wurden der Form der Hufe angepasst. Zum Schluss wurde das glühende Hufeisen in den Huf eingebrannt. Dabei entstand ein weißer, stinkender Qualm, der schnell die gesamte Schmiede einräucherte. Das Hufeisen wurde noch mit Hufnägeln an den Huf genagelt. Es folgten noch ein wenig Nacharbeit mit der Raspel und ein Anstrich der Hufe. Das Ganze musste viermal oder bei einem Gespann achtmal gemacht werden. Um Ochsen oder Ziehkühe zu beschlagen, wurden sie in ein Ochsenjoch gesperrt. Sie wurden in ähnlicher Weise beschlagen, jedoch wurden die Hufeisen wegen der besonderen Form der Hufe in glühendem Zustand angepasst. Ins Ochsenjoch kamen auch junge, temperamentvolle Pferde, die sich gegen das Beschlagen mit Fußtritten wehrten.

Die Lehrlinge waren bei der Familie Tielemann in Kost und Logis. Sie mussten neben der Arbeit in der Schmiede die Ställe für Schweine, Ziegen und Hühner ausmisten und Gras für die Ziegen mähen oder Brennnesseln für die Schweine besorgen. Im Frühjahr mussten sie den Garten umgraben und Kartoffeln pflanzen, im Herbst die Kartoffeln roden und das Obst im Garten pflücken.

Willi Sievers, „Dä Witte“, war Lehrling bei Karl Tielemann. Er arbeitete später in der Zuckerfabrik in Gronau als Schmied und ich war dort Auszubildender. Er erzählte mir, dass es zum zweiten Frühstück immer Schmalzbrote gab. Eines Tages beschwerten sich die Lehrlinge über das dürftige Frühstück. Karl Tielemann sorgte dafür, dass seine Frau Wurst und Schinken holte und die Jungs hauten rein. Am nächsten Morgen hatte der Alte besonders schwere Arbeit ausgesucht. Er ließ die Lehrlinge das Eisen so lange bearbeiten, bis es wieder kalt war, und ging mit ihnen eine halbe Stunde später zum Frühstück. „So, jetzt will ich mal sehen, ob euch heute das Schmalzbrot schmeckt“, bemerkte er mit einem breiten Lachen. Es hat ihnen geschmeckt, und wie! Die Jungs haben sich nie wieder über das Essen beschwert.

Brennholz

Eine der wichtigsten Aufgaben das ganze Jahr über war die Beschaffung von Vorräten für den Winter. Das Brennholz spielte dabei eine besondere Rolle. Unser Haus konnte nur mit Holz oder Kohle beheizt werden. Auch der Küchenherd war nur für feste Brennstoffe tauglich. Kohle war teuer, Holz kostete nur Arbeit.

Unser Vater hatte einen Holz-Leseschein vom Förster besorgt. Damit durften wir Holz im Wald sammeln. Weil er auch trockene, abgestorbene Bäume fällte, nehme ich an, dass das in der Erlaubnis enthalten war. Sicher bin ich mir nicht, denn das Fällen von Bäumen erfolgte immer unter besonderem Druck. Ich glaube, es war nicht erlaubt, wurde aber toleriert. Die Bäume, zugegebenermaßen junge, abgestorbene, gaben schnell eine gute Fuhre Holz. Ich musste schon sehr früh mit dem Vater den Stamm mit der Schrotsäge soweit einsägen, dass er so gerade noch von allein stand. Das eigentliche Fällen mit Keilen, Säge und Axt übernahm der Vater selbst. Mit der Schrotsäge wurde der Stamm dann in solche Stücke gesägt, die auf unseren Langholzwagen (ein in der Länge verstellbarer, stabiler Handwagen) passten. Die Äste und Zweige mussten mit einer Bügelsäge und Axt oder Beil verladefertig bearbeitet werden.

Das Laden der Fuhre und das Verspannen beherrschte nur der Vater – glaubte er zumindest. Um über die unbefestigten Waldwege zu fahren, mussten der Vater und eines der Kinder vorn an der Deichsel mit einem Gurt den Wagen ziehen, die anderen schoben hinten. Auch das Fahren auf den befestigten Forstwegen oder durch die Felder war sehr beschwerlich. Die Wege waren mit Schotter und Split befestigt, Spurrillen waren ausgefahren, große Wasserpfützen bildeten Vertiefungen. Mehr als einmal kippte die Fuhre um und musste neu geladen werden.

Zu Haus wurde die Fuhre abgeladen und das Langholz auf dem Sägebock mit der Bügelsäge in ofengerechte Längen zersägt. Sie mussten anschließend mit der Axt oder dem Beil gespalten werden. Diese Arbeit war schon sehr früh meine Spezialität. Das gespaltene Holz wurde im Holzschuppen aufgestapelt. Der Holzschuppen fasste Brennmaterial für mehrere Jahre. Dennoch wurde immer weiter Holz aus dem Wald geholt. Es wurde auf dem Hof aufgeschichtet, im Hühnergarten wurden Holzfinnen aufgestellt, im kleinen Garten wurde die Stallwand mit Holzbansen beschichtet Jedes freie Plätzchen war mit Holzvorräten belegt.

Doch das Holz holen ging weiter. Der Vater war wie besessen. Wir mussten das Holz aus dem Schuppen in Körbe packen und auf den Dachboden schaffen. Dazu mussten wir die Körbe voll Holz mühsam die Treppe nach oben tragen und dann über eine Leiter auf den Dachboden jonglieren. Angesichts meiner vollen Körbe tadelte mich mein Vater bisweilen augenzwinkernd „I dä Isel twaimal gaiht sliepet hai bet eem dä Biuk waih daiht“. Was so viel heißt wie: „Bevor der Esel zwei Mal geht, schleppt es, bis ihm der Buckel weh tut.“ Auf dem Boden wurde das Holz wieder sorgfältig aufgeschichtet, und im Schuppen war nun wieder Platz für neues.

Unser Revier im Wald hatte bald kein geeignetes Totholz mehr. Aber es waren noch Stuken in großen Mengen vorhanden. Mit Eisenkeilen, Vorschlaghammer und Brechstange rückten wir den Baumstümpfen zu Leibe. Mühsam und gefährlich war diese Arbeit im Wald und zu Hause setzte sich die Mühsal fort, wenn die Stuken ofengerecht zerkleinert werden mussten. Auch sie wurden sorgfältig aufgestapelt.

Sonntags ging der Vater oft in den Wald und manchmal nahm er mich mit. Er suchte dann nach trockenen Bäumen und prüfte Wege zum Abtransport. Wir gingen immer durch die Laubbaumbestände. Der Vater hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt, blieb bisweilen stehen, blickte einen Baum den Stamm hoch nach oben bis in die Krone und prüfte, in welche Richtung er fallen sollte und wie oft er zum Transport zersägt werden müsste.

Der Wald war sein zweites Zuhause. Er lieferte ihm sein Holz. Kostenlos! Die Mühen nahm er gern in Kauf. Holz sicherte unser Überleben.

Als der Vater gestorben war, legte Marlis, meine Schwester, ein Stück Holz in seinen Sarg.


Leine los!

In den Jahren 2018/19 regte der KulturKreis Gronau e.V. die Bürgerinnen und Bürger der Ortsteile von Gronau an zu erzählen, was in ihren Augen ihren Heimatort besonders auszeichnet, was ihn außerordentlich und lebenswert macht. Im Rahmen des Erzähl-, Schreib- und Theaterprojektes „Leine los!“ kamen so eine Menge Geschichten und Berichte zusammen, die man in Buchform über den KulturKreis Gronau beziehen kann. Alle Orte, die sich mit Geschichten an „Leine los!“ beteiligt haben, sind an Segelbooten wie diesen zu erkennen. Irgendwo an zentralen Stellen und Plätzen sind sie zu entdecken ...

Beim KulturKreis Gronau e. V. ist die Geschichten-Sammlung außerdem in Buchform erhältlich, darüber hinaus die Übersichtskarte für den „Gronauer Kultur- und Geschichtenpfad“.


Schriftgut und Überliefertes

- Depping, Klaus, Geschichte von Betheln, Barfelde, Eddinghausen und Haus Escherde Teil I –III


Berühmte Persönlichkeiten

Angelika Stucke

Die freie Autorin Angelika Stucke wurde 1960 in Eddinghausen geboren. Nach dem Entwurf ihres Großvaters, dem Stellmacher Stucke, gestalteten die Eddinghäuser ihr Ortswappen, das seit 1938 gültig ist.

Angelika Stucke ist Autorin einer Krimireihe, die in ihrer Heimat, dem Leinebergland spielt.

Nach einem Studium der Sozialpädagogik an der Universität Kassel arbeitete sie kurzzeitig als Sozialarbeiterin. Mit Hilfe eines Stipendiums der Carl-Duisberg-Gesellschaft begann sie mit dem Schreiben. Seit 1987 ist Angelika Stucke freie Autorin und lebt in einem Bergdorf in Spanien. Neben ihren Kriminalromanen veröffentlichte sie auch Reiseführer zur katalanischen Metropole Barcelona und zur Baleareninsel Mallorca, auf der sie im Rahmen ihrer Arbeit als freie Producerin für das ARD Studio Madrid regelmäßig Zeit verbringt.

Hans Fabian Schimmelpfenning

Hans Fabian Schimmelpfennig ist über Eddinghausens Dorfgrenzen hinaus als Spielmann Giacomo bekannt. Er ist mit seinem Dudelsack auf altertümlichen Festen und Märkten als Musikant und Herold unterwegs. Wenn gewünscht, kann man seinen Einsatz auch für private Feiern und besondere Geburtstage buchen. Dazu bitte Kontakt aufnehmen unter Adresse/Telefonnummer an Ende dieses Artikels. Wer mehr über Giacomos Programm und Musik erfahren möchte, findet Informationen unter http://www.spielmann-giacomo.de/index.html

Hans Fabian Schimmelpfennig, Gronauer Str. 12, 31032 Eddinghausen, Tel. 05182 / 1361


Lokale Spezialitäten


Spuren von historischen Produktionsstätten

Alte Schmiede

Zu finden: Gronauer Str. 36

Einst lag am Ortsrand von Eddinghausen eine Schmiede, die heute aber nicht mehr als solche genutzt wird. Zumindest das äußere Erscheinungsbild des Gebäudeteils, der an das Wohnhaus angrenzt, lässt jedoch noch erkennen, dass es sich hier um eine Werkstatt gehandelt haben muss.

Rothe (Rote) Mühle

Zu finden: Gronauer Str., zwischen Haus Escherde und Eddinghausen

Näher zu Eddinghausen als zum Nachbarort, aber dennoch zu Haus Escherde gehörend, liegt die Rothe Mühle, eine der drei ehemaligen Mühlen des Klosters. Hier kann man einiges über die Mühlen erfahren.

Seit 2023 ist Eddinghausen stolzer Besitzer eines Back- und Dorfgemeinschaftshauses. Wie aus einer Idee Realität und einem verfallenen Speicher in Hoyershausen wieder ein schmuckes Häuschen in Eddinghausen wurde, berichtet eine Initiatorin hier:

Kein Backhaus ohne Brauhaus

Dass der Traum vom Backhaus in Eddinghausen in den kommenden Jahren in Erfüllung gehen wird, ist für die Kleehuser eine ausgemachte Sache. Für sie ist nicht nur ein geeigneter Platz im Dorf gefunden worden, sondern sie haben es schon vor Augen und im Geiste mit Leben gefüllt. Und sie denken schon viel weiter ...

Wir befinden uns im Jahre 2030 n. Chr. Ganz Gronau ist von einer folgenschweren Bauflaute bedroht ... Ganz Gronau? Nein! Ein von unbeugsamen Eddinghäusern bevölkertes Dorf hört nicht auf, der Rezession Widerstand zu leisten. Und das Leben ist nicht leicht für die benachbarten Skeptiker, die als Beobachter in den befestigten Lagern Betheln, Haus Escherde, und Kleinbonum – ja sogar in Eddinghausen selbst – liegen ...

Zwischen Ehrenmal und Kinderspielplatz, mitten auf der grünen Wiese – im Herzen von Eddinghausen – steht ein kleines, schnuckeliges Fachwerkhäuschen mit grünen Sprossenfenstern und einem hübsch gestalteten Vorgarten, in dem sich Bienen auf den Wildblumen und Rosen tummeln. Aus dem hohen Schornstein des Steinanbaus steigt Rauch auf.

Was das ist? Natürlich das Backhaus in Eddinghausen!

Im Backhaus ist was los …

Drinnen geht es geschäftig zu: Ein Dutzend Frauen, Männer und Kinder stehen an einem großen Edelstahltisch, formen runde Teigteile und legen sie auf ein vorbereitetes Brett. Die Stimmung ist ausgelassen, es wird gegackert und herumgealbert. Ein kleiner runder Mann mit schlohweißem Haar, der Methusalix von Eddinghausen, begutachtet mit kritischem Gesichtsausdruck ein loderndes Feuer durch das geöffnete gusseiserne Türchen. Er legt noch zwei kleine Buchenscheite nach und ruft etwas unbefriedigt in die Runde: „Ddddas kann noch dddauern!“

Die Blonde mit dem Pferdeschwanz und der roten Schürze – die Initiatorin des Backhaus-Projektes – lacht: „Dann frühstücken wir eben erst mal!“ Es ist nämlich bereits 11 Uhr, und die Helfer, die seit 7 Uhr im Einsatz sind, haben mächtig Hunger. Klein Anna, die keine Sekunde von ihrer hübschen Mama aus den Augen gelassen wird, weil sie es so witzig findet, ihren Zeigefinger tief in die Teigrohlinge zu bohren, um zu beobachten, wie schnell sich die Teigmasse wieder zurückbildet, rennt beim Stichwort „Frühstück“ wie der geölte Blitz zum Kühlschrank. Darin stehen die vorbereiteten leckeren Wurst- und Käseplatten, das weiß sie genau. Doch die große Frau aus Betheln mit der Brille hat den Kühlschrank schon aufgemacht und befördert die Leckereien mit lässiger Geschäftigkeit auf den Tisch im benachbarten Gemeinschaftsraum. Hier setzen sich nun alle hin, um gemeinschaftlich zu frühstücken.

Was zuvor geschah …

Damals, als die kleine, aber starke Dorfgemeinschaft im wildromantischen Eddinghausen einen Ort der Begegnung plante, weil sie nach dem Verkauf des Feuerwehrhauses keinen Raum mehr hatte, wo man sich treffen konnte, brachten sich Menschen tatkräftig in das Backhaus-Projekt ein, die bis dato ganz stillschweigend und unauffällig in Eddinghausen gewohnt hatten. Plötzlich lernte man seine langjährigen Nachbarn neu kennen, selbst die weiter entfernten aus Betheln und Haus Escherde. Plötzlich wusste man, wer Bagger fahren und wer Pflastersteine setzen kann, wer geschickt Lehmwände hochzieht, wer sich auf geschmackvolle Inneneinrichtung versteht, und dass unser Methusalix gelernter Bäcker ist und die hohe Kunst des Sauerteigs beherrscht! Und plötzlich kamen auch Interessierte aus Betheln und Haus Escherde über den Berg gefahren, um mitzuwirken.

Zunächst wurde im Jahre 2018 über den Dorfpflege Betheln-Eddinghausen-Haus Escherde e. V. der „Arbeitskreis Backhaus“ ins Leben gerufen. Doch bald trennte man sich vom Mutterschiff Dorfpflege und gründete einen eigenen Verein: Dessen Name, „Das Kleehus e. V.“, spielt auf das Wappen von Eddinghausen mit den drei vierblättrigen Kleeblättern an und wurde bald um den Zusatz „Backhaus“ ergänzt. Der frisch gebackene Verein setzte unglaubliche Energien frei. Alle waren Feuer und Flamme – vielleicht weil ein eigenes Projekt nach gemeinschaftlichen Vorstellungen immer besser ist als ein von der Stadt Gronau vorgesetztes Gemeinschaftshaus.

Aktionen von A wie Aalschmaus bis W wie Weihnachtsbacken

So konnte das eigens geplante Backhaus mithilfe großzügiger Sponsoren und unbürokratischer Unterstützung der Samtgemeinde Leinebergland sowie unzähliger Stunden an Eigenleistung schnell gebaut und bereits im Jahr 2022 zur 1000-Jahr-Feier in Betheln eingeweiht werden. In den vergangenen acht Jahren wurden hier schon viele tolle Gemeinschaftsaktionen verwirklicht, zahlreiche auch in Zusammenarbeit mit der Dorfpflege: Es gibt regelmäßige Backtage, Weihnachtsbacken mit Kindergärten und Grundschulen, „Räucheraal für alle“ (einzigartig in der Samtgemeinde!), diverse Infoabende und Aktionstage zu Themen wie „Rund ums Korn“, „Naturgarten leicht gemacht“, „Brotbacken mit alten Getreidesorten“ und mehr.

Außerdem finden im Kleehus etliche Vereinsveranstaltungen statt, wie zum Beispiel der Naturerlebnistag für Kinder, das alljährliche Weinfest mit Zwiebelkuchen, die Public-Viewing-Reihe, das traditionelle Kartoffelfest, der Adventskaffeeklatsch mit selbst gebackenen Stollen für die Senioren. Das alles hat die Dreidörfergemeinschaft Eddinghausen, Betheln und Haus Escherde enorm gestärkt, sodass man im Rückblick auf die Geschichte der einstigen Gemeinde frech behaupten kann: Was Feuerwehr und Politik nicht geschafft haben, hat der dynamische Backhaus-Verein erreicht.

Wo ein Backhaus steht, kann auch ein Brauhaus stehen!

Und heute, 2030? Sind die Eddinghäuser total übergeschnappt, weil neben dem Backhaus der lang ersehnte Braukeller endlich fertiggestellt wurde. Seit gut vier Monaten wird dort „Glücksbier“ gebraut – natürlich ebenfalls in Anlehnung an das Eddinghäuser Wappen mit dem Kleeblatt! Unbekannt sind die Zutaten dieses überaus süffigen Bockbiers; der alte Braumeister will sie nicht preisgeben. Tatsache aber ist: Wer das Glücksbier trinkt, lächelt unentwegt in sich hinein und erträgt mit einer verzückten Gelassenheit die selbst gedichteten Lieder des Eddinghäuser Barden.

Doch zurück zu unserer Szene vom Anfang:

Gegen 14 Uhr sind die Vorbereitungen für das Festmahl fast abgeschlossen. Der Wildschweinbraten schmort längst im Backofen. Mittlerweile sind auch die Herren vom Kleeblatt und der Braugruppe eingetroffen. Gestern mussten sie bei brütender Hitze das Zelt auf der Terrasse aufbauen, weil das traditionelle und beliebte „Wildschweinbraten-Fest“ eine Vielzahl von Teilnehmern aus der Region anzieht. Und es passen eben leider nur 25 Menschen in den Gemeinschaftsraum …

Endlich können auch die – natürlich kleeblattförmigen! – Brote in den Holzbackofen geschoben werden. In einer guten Stunde werden sie fertig sein. Schon jetzt breitet sich ein wunderbarer Duft im Backhaus aus, sodass nicht nur Klein Anna das Wasser im Mund zusammenläuft. Alle freuen sich auf das großartige Fest. Einzig der über die Landesgrenzen hinaus bekannte Eddinghäuser Barde schmollt ein wenig. Er darf nämlich heute Abend nicht sein eigens komponiertes Lied „Brauen für die Sauen“ vortragen, weil er – natürlich kennen alle das Ende der Geschichte! – dem Festmahl gefesselt und geknebelt beiwohnen wird.

Eine Geschichte aus Eddinghausen, verfasst von Susann Selbach